Wie kann ein einzelnes Unternehmen die Erkenntnisse der Verhaltenswissenschaften und die Erfahrungen von Siegermarken nutzen, um selbst stärker zu wachsen? - Und wie muss man sich dieses neue Instrument der „Wachstums-Codes“ genau vorstellen?
Ein Beispiel, der Einfachheit halber aus der Konsumgüter-Industrie: Angenommen, Ihre Aufgabe besteht darin, ein Fruchtsaftgetränk zu vermarkten, dessen Absatztrend seit längerem rückläufig ist. Die Marktforschungs-Abteilung liefert Ihnen die Gründe: die Kunden empfinden das Getränk als - wässriger - süßer - künstlicher und - weniger fruchtig als „richtige“ 100%-Frucht-Säfte.
Gehen wir weiter davon aus, dass sie an der Produktqualität selbst nichts ändern können oder wollen und dass Sie auch den Preis nicht absenken wollen. Wie können Sie trotzdem gezielt und strategisch das Verhalten der Kunden beeinflussen, um frisches zweistelliges Wachstum zu induzieren, und zwar nachhaltig?
An dieser Stelle kommen die strategischen Mechanismen der Verhaltensänderung ins Spiel. Wir nennen sie „Wachstums-Codes“. Einer davon (von insgesamt über 120) heißt in unserer Terminologie „das Kategorie-Prinzip“.
Das Kategorie-Prinzip: „Positionieren Sie Ihre Marke überraschend in eine andere geistige Schublade, in der sie ihre Stärken besser entfalten kann.“
Nun sehen wir das Kernproblem in einem neuen Licht: unser Fruchtsaftgetränk steckt in der „falschen“ geistigen Schublade, nämlich bei den „100%-Säften“, wo es sich mit Premium-Säften vergleichen muss und zwangsläufig schlecht abschneidet.
Aufgrund seiner als „wässrig“ beschriebenen Eigenschaften können wir mit unserer Getränkemarke aber auch in eine andere geistige Schublade (Kategorie) „auswandern“, nämlich zu den Durstlöschern und Softdrinks, wo sie sich mit ganz anderen Produkten vergleicht, nämlich Limonaden: Fanta, Sprite oder Bluna.
Wenn wir unser Fruchtsaftgetränk also ab sofort konsequent nur noch als bessere Alternative zu anderen Durstlöschern/Softdrinks/Limonaden positionieren, passiert in den Köpfen der Kunden etwas ganz Erstaunliches: alle zuvor negativen Eigenschaften verwandeln sich plötzlich in positive Attribute! Unser Produkt ist nämlich plötzlich weniger wässrig, weniger süß, dafür aber fruchtiger und gesünder als die Limonaden.
Als hochwertige Alternative zu Limonaden konnte unser Fruchtsaftgetränke Punica (viele werden die Marke schon erraten haben) in den ersten Jahren 35% pro Jahr wachsen. Und zwar ohne an dem Produkt etwas zu ändern und ohne den Preis abzusenken.
Was macht nun den Wachstums-Code „Das Kategorie-Prinzip“ genau aus? Jeder Wachstums-Code besteht zum einen aus einer gesetzhaften Handlungsanweisung, in unserem Fall: „Positionieren Sie Ihre Marke in eine andere geistige Schublade, in der sie ihre Stärken besser entfalten kann.“
Hinzu kommen nun aber mehrere Erfolgsfaktoren, die sicherstellen, dass Sie den Wachstums-Code richtig anwenden und das Potenzial maximal ausschöpfen. Hier die drei Erfolgsfaktoren des „Kategorie-Prinzips“:
1. Akzeptanz Sie müssen sich mit Hilfe der Marktforschung Gewissheit verschaffen, dass Ihr Produkt in der neuen geistigen Schublade auch von den Kunden akzeptiert wird. Unser Fruchtsaftgetränk wurde von den Verbrauchern ursprünglich als „wässrig“ beschrieben – darum akzeptieren sie es auch bereitwillig als „Durstlöscher“.
2. Marktpotenzial Sie müssen vergleichen, ob die neue geistige Schublade genügend Wachstums- und Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Auch dieses Kriterium ist in unserer Fallstudie gewährleistet, denn der Markt für Softdrinks ist um ein mehrfaches größer als der Markt für 100%-Säfte.
3. Alleinstellung Sie brauchen in der neuen geistigen Schublade immer noch eine Alleinstellung. Auch dieses Kriterium ist gewährleistet, denn unter den Softdrinks ist Punica nun die „fruchtige und gesunde Premium-Alternative.“
Da aller Erfolgsfaktoren erfüllt sind, können Sie nun mit relativ hoher Gewissheit davon ausgehen, dass Ihre verhaltensändernde Strategie aufgehen wird.
Wie wirkt sich die neue Leitidee nun auf alle Bereiche von Marketing und Vertrieb aus? Nun gilt es herauszufinden, welche Weichen im gesamten Business neu gestellt werden müssen, damit alle Bereiche von Marketing und Vertrieb perfekt auf die intendierte „Verhaltensänderung“ ausgerichtet werden.
Und was waren die Weichenstellungen für Punica?
1. im Bereich Marken-Kommunikation: Punica entwickelt die „Punica Oase“ als Selling Idea und Key Visual
2. im Bereich Produkt, Preis, Sortiment, Innovation: Punica setzte neue Innovations-Schwerpunkte. Statt neuer Geschmacks-Varianten (wie bei Säften) wurde plötzlich „Tea&Fruit“-Varianten eingeführt. Heute denkt man über kohlensäurehaltige Punica-Durstlöscher nach.
3. im Bereich Handel&Vertrieb: Punica wurde aus dem Regal der „Säfte“ entfernt und in das Regalumfeld von Limonaden positioniert. Statt Einzelflaschen wurden jetzt viel mehr Gebinde/Kästen vermarktet.
4. im Bereich Organisation, Strukturen und Prozesse. Änderungen in diesem Bereich waren für Punica nicht relevant.
Bei der Weichenstellung geht es nicht darum, im Marketing und Vertrieb nun alles anders zu machen. Ziel ist vielmehr, die Weichen so zu stellen, dass alles auf den „Klick im Kopf“ ausgerichtet ist, der einer Verhaltensänderung vorausgeht.
aa
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